Liberty truck ist die Bezeichnung einer Lastkraftwagen-Baureihe der US-amerikanischen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg, deren Vorgaben vom United States Army Quartermaster Corps (USQMC) gemeinsam mit der Society of Automotive Engineers festgelegt wurden. In Europa wurden vereinheitlichte Subventions-Lkw schon vor dem Ersten Weltkrieg bekannt. Liberty trucks der Klasse Liberty Standard B 3 tons entsprachen in etwa der Klasse der Regel-3-Tonner. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Liberty trucks nicht zurückgeführt und beeinflussten die weitere Entwicklung des Nutzfahrzeugbaus auch in Europa.
Liberty truck | |
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![]() Liberty Standard B Lkw (ca. 1918) | |
Liberty Truck | |
Hersteller: | verschiedene |
Produktionszeitraum: | 1917–1919 |
Vorgängermodell: | keines |
Nachfolgemodell: | keines |
Technische Daten | |
Bauformen: | Pritschenwagen |
Motoren: | Vierzylindermotor |
Nutzlast: | 0,75–5 t |
Im Ersten Weltkrieg (und in erheblichem Umfang auch noch im Zweiten Weltkrieg[1]) bildeten Pferde das Hauptfortbewegungsmittel der Truppen. So verfügte die US Army 1914 über nur 35 Lastkraftwagen.[2] Die ersten Erfahrungen der Army mit Lastkraftwagen als Transportfahrzeuge für militärische Güter sowie als Zugfahrzeuge für die Artillerie 1916 im Rahmen der Mexikanischen Strafexpedition verdeutlichten jedoch die Vorteile gegenüber Pferden und Maultieren, insbesondere hinsichtlich Mobilität, Geschwindigkeit und Ausdauer.[3]
Am 6. April 1917 erklärten die Vereinigten Staaten dem Deutschen Reich den Krieg.[4] Kurz darauf wurde mit den ersten Aktivitäten für den Bau der Liberty-Truck-Fahrzeugreihe begonnen.
Allradgetriebene Fahrzeuge waren nicht im Umfang der Pläne zu den Liberty trucks vom United States Army Quartermaster Corps (USQMC) enthalten. Für den Bedarf der Artillerie wurden vom U.S. Ordnance Corps ein zusätzliches, umfangreiches Beschaffungsprogramm aufgelegt. Darin waren von leichten Versorgungs- und Erkundungsfahrzeugen bis zu schwersten Artillerieschleppern und Panzern viele Fahrzeugklassen enthalten. Allein die Anzahl der vom Ordnance Department für die Artillerie geplanten 4×4-Lastkraftwagen belief sich auf 28.000 Stück, die Ende Dezember 1918 einsatzbereit sein sollten.[5] [6]
Außer rund 2 Millionen Soldaten brachten die amerikanischen Streitkräfte eine Vielzahl von Motorfahrzeugen, darunter 51.554 Lastkraftwagen einschließlich 9.452 Liberty trucks nach Europa.[3]
Unmittelbar nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten wurde unter der Leitung des Quartermaster Corps (USQMC) der US-Army ein Gremium geschaffen, dem neben den Militärs auch die Society of Automotive Engineers sowie die Automobilbranche angehörten. Ziel war es, ein einfach konstruiertes, besonders robustes Nutzfahrzeug mit leicht austauschbaren Bauteilen zu schaffen. Da Modellvielfalt bei jeder militärischen Operation zu erheblichen Nachteilen führt, insbesondere hinsichtlich der Ersatzteilbevorratung, der Wartung und der Instandhaltung, wurde beschlossen, durch eine Vereinheitlichung aller Bauteile ein herstellerunabhängiges Fahrzeug zu fertigen, wie es vergleichsweise von Deutschland mit dem Regel-3-Tonner bekannt war. Dementsprechend war bei der Vorbereitung eine Vielzahl von Unternehmen beteiligt, die freiwillige Mitarbeiter für die Entwicklung entsandten. Die Fahrzeuge wurden in einem groben Rahmen von zwei Serien mit vier Standardbaureihen gefertigt, wobei die Zahl der tatsächlich gelieferten Varianten und später modifizierten Fahrzeuge unübersichtlich ist.
Außer Nutzfahrzeugproduzenten wie Diamond T, Selden, Pierce-Arrow, Sterling, Velie, Packard, Garford Company, Brockway Motor Trucks, Gramm-Bernstein, Republic und Bethlehem[7] waren insgesamt 62 Automobilzulieferer wie Waukesha Engines (Motoren), Westinghouse Electric (elektrische Komponenten), Continental Motors Company (Motoren), Kelly-Springfield Tire Company (Vollgummireifen), Splitdorf Electrical Co. (Magnetzünder), Timken Company (Achsen) und Muncie Gear Works (Getriebe) beteiligt. Durch den besonderen Einsatz der Freiwilligen, nicht zuletzt beflügelt durch den in den USA ausgeprägten Patriotismus, gelang es, bereits wenige Monate nach dem Planungsbeginn mit der Serienproduktion zu beginnen. Der erste Liberty truck verließ am 9. Oktober 1917 die Produktionshalle.[8]
Die US-Army als Auftraggeber bezahlte pro Fahrzeug einen Festpreis von 600 US-Dollar. Um Verzögerungen und andere Probleme mit eventuellen Lizenzgebühren an Inhaber von Patenten zu vermeiden, wurde auf eine bereits bestehende Lkw-Konstruktion zurückgegriffen. Zum Zug kam ein Entwurf der Gramm-Bernstein Motor Truck Company in Lima (Ohio).[9] Der Liberty truck, der unabhängig vom Hersteller die Bezeichnung USA am Kühler trug, gilt als eines der ersten robusten Automobile, das wirtschaftlich Nachschub unter den besonderen Bedingungen eines Krieges transportieren konnte. Nicht alle Fahrzeughersteller konnten oder wollten Fahrzeuge nach den Vorgaben fertigen. Wegen des enormen Bedarfs an Fahrzeugen wurden auch Liberty Trucks von anderen Hersteller abgenommen, die zwar im Rahmen der Fahrzeugklassen lagen aber nicht in allen technischen Details übereinstimmten.
Die Fahrzeuge wurden über den Atlantik nach Saint-Nazaire gebracht, dem wichtigsten Nachschubhafen der USA in Frankreich. Sie dienten den American Expeditionary Forces sowie den Verbündeten zur Lieferung des enormen Bedarfs an Munition, Brennstoffen, Ausrüstung und Lebensmitteln an die Front. Auch spezielle Wassertransporteinheiten (water tank train) wurden eingerichtet, wobei ein Liberty truck mit drei Wassertanks für je 250 Gallonen ausgestattet war. Darüber hinaus gab es Versionen mit Fernmeldeeinrichtungen für das United States Army Signal Corps, mobile Werkstätten, Abschleppwagen sowie Scheinwerferfahrzeuge; auch dienten sie Offizieren als Transportgelegenheit (Mannschaften marschierten üblicherweise zu Fuß). Auf dem Rückweg von der Front transportierten die Fahrzeuge schwerverwundete Soldaten; nach dem Waffenstillstand 1918 wurden sie auch für die Überführung der zunächst in vorübergehende Gräber gebrachten Kriegstoten zu festen Soldatenfriedhöfen eingesetzt.[10]
Das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten hatte Fahrzeugklassen und bei der Auftragsvergabe eine Reihe von technischen Vorgaben festgelegt: So wurde zur Erhöhung der Geländetauglichkeit eine hohe Bodenfreiheit und ein Sperrdifferential gefordert. Da die Fahrzeuge überwiegend als Nachschubfahrzeuge in langsamer Kolonnenfahrt eingesetzt werden sollten, wurde ein Vierganggetriebe mit sehr niedrig übersetztem Kriechgang gefordert sowie ein groß dimensionierter Kühler zur Vermeidung einer Überhitzung des Motors. Zur Erhöhung der Reichweite war ein großer Kraftstofftank vorgesehen. Als Gesamtmaße des Fahrzeuge wurden 6,52 × 2,1 × 1,87 m vorgegeben:, der Radstand betrug 4 m. Türen hatten die einfach konstruierten Fahrzeuge nicht.
Bis auf die ersten Fahrzeuge hatten alle einen Continental-Motor, wobei auf Motorteile einer Reihe von Zulieferern zurückgegriffen wurde; so wurden etwa die Zylinderköpfe von Waukesha Engines geliefert. Vorgeschrieben war auch eine Motoraufhängung an drei Punkten. Die Motoren hatten keine Wasserpumpe, sondern wurden durch freien Umlauf des Wassers im Thermosiphonverfahren gekühlt. Die Motoren mit 27 bhp (rund 27 PS; 20 kW) beim Liberty Model A truck und 52 bhp (rund 53 PS; 39 kW) beim Liberty Model B truck trieben die Hinterachse an. Letzterer erlaubte eine Höchstgeschwindigkeit von 15 mph, was dem seinerzeit üblichen Standard für Lastkraftwagen entsprach.
Die Vollgummireifen galten damals noch als Stand der Technik bei Nutzfahrzeugen; einige Modelle wurden noch mit Holzrädern ausgerüstet, die mit einem Metallring beschlagen wurden, wie sie von früheren Holzspeichenrädern der Artillerie bekannt waren. Später wurden Stahlspeichenfelgen für die Liberty Trucks eingesetzt. Doppelbereifung an der Hinterachse war für „Model B“ und „Model C“ die Standardausrüstung. Den Einsatzerfahrungen im Ersten Weltkrieg folgte ein Wechsel zu Stahlrädern im Fahrzeugbau.
Nach dem Ende des Weltkrieges wurde der größte Teil des amerikanischen Kriegsgerätes wieder in die USA zurückgeschafft. Eine Rückführung von Tausenden von Lastkraftwagen und eine Vermarktung der auch für den zivilen Einsatz tauglichen Fahrzeuge hätten jedoch den Absatz von Neufahrzeugen in den USA mittelfristig erheblich erschwert. Daher verzichtete die US-Regierung, auch auf Drängen der Interessenvertreter der Automobilindustrie, auf eine Rückführung der Liberty trucks. In der Kommunikation wurden für diese Entscheidung vor allem Kostengründe in den Vordergrund gestellt.
Viele der in Frankreich und Belgien zurückgebliebenen Fahrzeuge wurden in Europa zu Zivillastwagen umgerüstet. Der Verkauf führte zu Schwierigkeiten französischer Nutzfahrzeughersteller und trug etwa zur vorübergehenden Insolvenz des großen Herstellers Berliet bei. Andererseits ermöglichte es die Gründung und den Aufstieg neuer Unternehmen, welche die Fahrzeuge günstig kauften und sich auf die Umrüstung und Vermarktung der Liberty trucks spezialisierten. Hierzu gehörte das französische Unternehmen Etablissement Willème (aus dem sich einer der großen Nutzfahrzeugproduzenten Frankreichs entwickelte) und die belgische Compagnie belge des autos-camions Liberty (aus der später die Société Franco-belge des autos Liberty entstand).[11]
Dank der robusten und – wie Anfang des 20. Jahrhunderts üblich – auf nicht begrenzte Lebensdauer ausgerichteten Konstruktion sind auch noch heute einige Liberty trucks im fahrtüchtigen Zustand – nach fast 100 Jahren.[12][13] Darüber hinaus sind gut erhaltene Fahrzeuge in mehreren Museen zu besichtigen, darunter im