Die Rehau Gruppe (eigenschreibweise: REHAU) ist ein deutscher und Schweizer Polymerverarbeiter im Familienbesitz. Die Rehau Gruppe vereint mit Meraxis, New Ventures, Raumedic, Rehau Automotive und Rehau Industries mehrere Unternehmen unter einem Dach. Als eigenständige Gesellschaft verbindet Rehau Industries die Geschäftsfelder Building and Infrastructure Solutions, Furniture Solutions, Window Solutions und Industrial Solutions und beschäftigt weltweit mehr als 12.000 Mitarbeitende an über 150 Standorten.[2]
Rehau Group | |
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Rechtsform | SE |
Gründung | 1948[1] |
Sitz | Rehau |
Leitung | Veit Wagner (VR-Präsident). Uwe H. Böhlke (CEO) |
Mitarbeiterzahl | Weltweit: mehr als 12.000 (2022) |
Umsatz | 3,4 Mrd. Euro (2020, REHAU Group) |
Branche | Polymerverarbeitung |
Website | www.rehau.de |
Die Verwaltungszentrale der Rehau Gruppe befindet sich in Muri bei Bern, Schweiz. Rehau im Hofer Land ist der Hauptverwaltungssitz des Unternehmens mit den beiden Geschäftsfeldern Automotive und Industries. Der Verwaltungssitz des Geschäftsfeldes Bau ist in Erlangen-Eltersdorf angesiedelt. Die Medizinsparte wird eigenständig durch die Raumedic AG mit Sitz in Helmbrechts geführt.
Der Umsatz der Gesamtgruppe beläuft sich auf ca. 3,4 Milliarden Euro (2020). Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Helmut Wagner AG, Muri b. Bern, Präsidentin des Verwaltungsrats ist Clarissa Wagner de Thomas Tewes, Bern.[3]
Der Umsatz der deutschen Tochter Rehau AG + Co lag 2017 bei über 2 Mrd. Euro, davon wurden 36 Prozent durch Exportgeschäfte erzielt.[4] Sie ist mit mehr als 2200 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber der Stadt Rehau.[5]
Der Umsatz der deutschen Tochter verteilt sich wie folgt:[6]
Helmut Wagner (1925–2021[7][8]) gründete das Unternehmen im Jahre 1948 in Rehau (Bayern). Am 28. Dezember 1948 erteilte das Landratsamt Hof (Saale) dem Medizinstudenten Helmut Wagner die amtliche Erlaubnis zur Errichtung eines kleingewerblichen Industriebetriebes zur Herstellung von Igelit. Mit dieser Genehmigung brach der 23-jährige Schulratssohn sein Studium ab, um Keder und Wasserschläuche aus Kunststoff zu produzieren. Keimzelle war die Extrusion (Verfahrenstechnik). Erste Produktionsstätte war ein Nebengebäude der 1907 gegründeten Fränkischen Lederfabrik in Rehau. Finanziell gefördert wurde das junge Unternehmen gemäß Handelsregistereintrag durch Helmuts Mutter Christina Wagner und die Fabrikbesitzertochter Elsa Linhardt. Der Aufstieg des Unternehmens begann als Zulieferer für die Produktion des VW Käfer, für den Trittbretter und Halteschlaufen für Fahrer und Beifahrer produziert wurden.
Im Jahre 1949 nannte Wagner sein Werk Rehau Plastiks.
In dieser frühen Phase wurde ein Teil der Maschinen- und Anlagentechnik in einer eigenen maschinentechnischen Abteilung entwickelt und gebaut. Im Zuge der Produktentwicklung traten neben die Extrusion auch andere Verfahren, wie das Spritzgießen oder das Extrusionsblasformen.
Bald wurden neue Anwendungsgebiete von Kunststoffprodukten (z. B. Möbelprofile, Schläuche für industrielle Anwendungen und für die Medizintechnik) erschlossen, anspruchsvolle technische Teile und Systeme entwickelt und Kunststoffgranulate durch Definition der Rezeptur und mittels Compoundierung selbst hergestellt. Die Materialtypen der Rehau Gruppe tragen den Präfix RAU. Entsprechend der Neuentwicklung von technischen Polymeren der Rohstoffindustrie wurde in der Rehau Gruppe die zum Einsatz kommende Palette von Kunststofftypen kontinuierlich ausgebaut.
Neben zwei Werken in Rehau entstand 1951 in Feuchtwangen das erste Werk zur Fertigung von Teilen für die Automobilindustrie unter anderem zur Fertigung von Stoßfängern. Feuchtwangen ist heute mit zwei Werken der größte Fertigungsstandort der Gruppe in Deutschland. 1958 wurden das erste Kunststoff-Fensterprofil und der erste Magnetband-Rahmen für Kühlschränke extrudiert.
Im Jahre 1962 wurde das erste Werk außerhalb Europas in Montreal (Kanada) eröffnet. Anfang der 1960er Jahre wurde die Zentrale der Rehau Plastiks nach Muri nahe Bern in der Schweiz verlegt und der weltweite Einkauf der Gruppe für 45 Werke in 21 Ländern und das Controlling dort gebündelt. Die Holding in Muri hat rund 150 Beschäftigte[9].
Auf Mitinitiative von Rehau wurde 1976 in Deutschland der Beruf des Kunststoffformgebers eingeführt. In den 1970er Jahren hatten Kunststoffteile eine stark ansteigende Nachfrage, die die Rehau Gruppe in den Bereichen Automotive, Möbel- und Elektroindustrie, Fenster-, Sanitär-, Heizungs- und Haustechnik, Rohr- und Schlauchanwendungen begleitete. Neben der Verwaltung in Rehau entstand eine neue Verwaltung in Erlangen-Eltersdorf.
Im Jahr 2000 gab Helmut Wagner die Leitung des Aufsichtsrates an seine Söhne Jobst Wagner und Veit Wagner ab. Jobst Wagner wurde Präsident des Supervisory Board, Veit Wagner wurde Vizepräsident. Die beiden Brüder teilen sich die Aufgaben im Unternehmen. So kümmert sich Veit Wagner um den Bereich Automotive, betreut den englischsprachigen Markt mit den Niederlassungen in Nordamerika, in Großbritannien (Insel) und Südafrika. Jobst Wagner verantwortet die Bereiche Bau und Industrie, sowie alle anderen Niederlassungen weltweit.
Im Jahr 2004 wurde die Medizinsparte mit rund 200 Mitarbeitern ausgegliedert und als Schwestergesellschaft Raumedic AG gegründet. Sie ist Entwicklungspartner und Hersteller für die medizintechnische und pharmazeutische Industrie mit autarkem Vertriebsnetz und zwei Produktionsstandorten für Extrusion, Spritzguss und Montage in Reinräumen in Helmbrechts und Mills River (North Carolina, USA).[10]
Das Supervisory Board der global tätigen Rehau Gruppe gab 2018 bekannt, dass William Christensen zum neuen CEO und Kurt Plattner zum neuen CFO von REHAU ernannt wurde.[11]
Im Jahr 2018 wurde die global agierende MB Barter & Trading SA (MBT) von der REHAU Verwaltungszentrale AG übernommen um einen führenden Anbieter von polymerbasierten Lösungen zu gründen. Durch die Kombination des integrierten REHAU Know-hows von Materialien, Verfahren und Applikationen in Verbindung mit der einschlägigen Trading- und Distributionskompetenz von MBT entstand eine Verknüpfung komplementärer Kernkompetenzen bei technologischen Polymerlösungen.[12]
Ebenfalls im Jahr 2018 übernahm die REHAU Verwaltungszentrale AG mit Sitz in Muri bei Bern die international tätige MB Barter Trading AG aus Zug/Steinhausen mit ihren weltweit 30 Standorten. Zusammen mit der REHAU Einkaufszentrale, die ebenfalls als unabhängiges Unternehmen ihren Sitz in Muri hat, kam das im Jahr 2019 neu firmierte Unternehmen MERAXIS[13] auf ein Volumen von über 2 Milliarden EURO und wurde damit einer der führenden Händler und Distributeure von Kunststoffen. Der Zusammenschluss der beiden traditionsreichen Familienunternehmen soll Mehrwerte durch neue Services, nachhaltiges Wachstum und Innovationen generieren. Die Kombination aus dem REHAU Know-how von Materialien, Verfahren und Applikationen in Verbindung mit der globalen Trading-, Logistik- und Distributionskompetenz der MB Barter Trading eröffnet strategische Chancen für neue Geschäftsmodelle.
Mit Wirkung zum 13. Mai 2019 trat Uwe H. Böhlke bei REHAU als Chief Operations Officer in das Unternehmen ein.[14]
Die Rehau AG + Co. vollzog Ende 2021 eine Umstrukturierung der deutschen Unternehmungen. So wurde am 8. Oktober 2021 die Rehau Management SE und am 15. Oktober 2021 die Rehau Industries SE & Co. KG in das Handelsregister eingetragen. Am 4. Januar 2022 wurde die Rehau AG + Co. in die Rehau Automotive SE & Co. KG umfirmiert. Die Rehau Management SE fungiert des Weiteren als persönlich haftende Gesellschafterin der Geschäftsfelder Industries und Automotive. Alle Aktien der Rehau Management SE, Rehau werden von der Schweizer Muttergesellschaft Rehau Verwaltungszentrale AG, Muri b. Bern gehalten.
Die Rehau Gruppe wird als AG + Co. geführt. Alle Aktien des Unternehmens wurden auf Gründungs- und Familienmitglieder verteilt.
Die beiden Söhne Helmut Wagners, Jobst und Veit, als Repräsentanten der zweiten Generation, haben elf Kinder, die als dritte Generation demnächst ins Unternehmen kommen oder daran beteiligt sind. Ältester Enkel Helmut Wagners ist Nils Wagner, der Sohn von Jobst Wagner. Die Nachkommen und Erben der Gründungsgesellschafterin Elsa Linhardt schieden nach 2000 gegen Bargeldabfindungen im höheren dreistelligen Millionenbereich aus dem Unternehmen aus.
Das Wirtschaftsmagazin Bilanz schätzt das Vermögen der Familie Wagner im Rahmen der Liste der 300 Reichsten in der Schweiz auf 800 bis 900 Millionen Franken.[15][16]
Der Rehau Verwaltungszentrale AG gehören unmittelbar 120.000 Aktien der Rehau Management SE, welche auch persönlich haftendete Gesellschafterin der Rehau Automotive SE & Co. KG (vormals Rehau AG + Co.) und Rehau Industries SE & Co. KG ist. Der Besitz der Aktien und Mehrheitsbeteiligungen werden auch der Wagner Holding AG über die Rehau Verwaltungszentrale AG und der Wagner Generations AG über die Wagner Holding AG und Rehau Verwaltungszentrale AG zugerechnet.
Gegenüber dem Unternehmensgründer, Autodidakten und Erfinder Helmut Wagner hat die zweite Generation das Unternehmen strukturell verändert, ausgebaut und transparenter gestaltet. So zählten eine klare Matrix-Struktur der komplexen Organisation und die Übertragung von Verantwortung an regionale Geschäftsführer zu den Veränderungen ab dem Jahre 2000.
Zu den Besonderheiten und Kernpunkten der Rehau Gruppe zählen nach wie vor:
Strategisch werden Produkte und Systeme unter den Gesichtspunkten Nachhaltigkeit oder Ressourcenschonung als Ausdruck der Kundennachfrage forciert. Im Bereich Bau zählen die Nutzung von Geothermie und das Niedrigenergiehaus zu den Aktivitäten der Rehau Gruppe.
Die Rehau Gruppe ist an über 170 Standorten auf fünf Kontinenten vertreten.[17]
Rehau hat Werke in Österreich in
Mikrokabelrohre werden typisch aus HD-PE extrudiert, sind durchscheinend, tragen Farbmarkierungen in Form von Längsstreifen und Aufdrucke wie die laufende Längenmeter. Die halbsteifen Rohre werden mit Außendurchmessern von 7–20 mm, Wandstärken von 0,75–2,5 mm und Innenmaß von 4–16 mm hergestellt und werden als Wickel auf großen Kabeltrommeln ausgeliefert. Sie dienen überwiegend als in Erdreich und Bauten verlegte Führung für Glasfaser- aber auch Kupferkabel. Als Führung bleiben sie sehr lange in Funktion, während Kabel mitunter schon binnen 10 Jahren durch leistungsfähigere, modernere ersetzt werden.
Kabel können ein kurzes Stück eingeschoben oder längere Strecken auch eingezogen werden. Am effizientesten wird mit Einblasen mit Druckluft, kombiniert mit einem Vorschub durch elektrisch oder pneumatisch angetriebene Rollen gearbeitet. So werden standardmäßig Streckenlängen von 1,5 km, besonders geradlinig entlang von Eisenbahnstrecken auch von 2 km erreicht. Um die Reibung des Kabels längs der Wand zu reduzieren werden Rohre typisch mit 20–60 Längsriefen hergestellt. Im Querschnitt zeigen sie innen eine Zick-Zack-Kontur, deren nach innen weisende Zacken meist – je nach Hersteller – abgerundet oder abgeflacht sind. Diese Riefen helfen auch, die Luftströmung beim Einblasen laminar zu halten.
Mikrokabelrohre können einzeln, zu mehreren oder als Rohrverbund mit Hülle verlegt oder auch in ein Schutzrohr eingeblasen werden. Schutzrohre können innen mit einem Gleitmittel beschichtet sein und/oder Längsriefen aufweisen. Mit einer Spülbohrung kann eine gewisse Strecke Boden durchdrungen werden, um ein Schutzrohr oder einen Mikrorohrverbund zu verlegen.[20][21]
Das Unternehmen wurde in der Presse wiederholt kritisiert, die Bildung von Betriebsräten und andere gewerkschaftliche Aktivitäten entgegen gültiger Gerichtsbeschlüsse zu unterbinden.[22][23]
Des Weiteren wurden im Jahr 2020 knapp 1.000 Stellen im Autosektor weltweit abgebaut; alleine 150 Arbeitsplätze fallen am Stammsitz in Rehau weg.[24]
Für die Namensgebung seiner Gebäude in Rehau entschied sich das Unternehmen für die Benennung nach chemischen Elementen bzw. Molekülverbindungen. So existieren die Gebäude Indium[25], Iridium[26], Rhenium[27], Technetium[28], Thorium[29], Scandium[30], Strontium[31], Xenon[32], Decan[33], Oxonium[34], Prolin[35]. Aus der Chemie entlehnt sind die Namen der Häuser Technikum[36] und Neutronium[37].