Karl Clauss Dietel (* 10. Oktober 1934 in Reinholdshain bei Glauchau; † 2. Januar 2022 in Chemnitz[1]) war ein deutscher Form- und Produktgestalter. Er entwarf in der DDR u.a. Fahrzeuge, Rundfunkgeräte, EDV-Anlagen, Schreibmaschinen und Strickmaschinen. Dietel war Professor an der Fachschule für angewandte Kunst Schneeberg, von 1986 bis 1990 deren Direktor, sowie von 1988 bis 1990 Präsident des Verbands Bildender Künstler der DDR.
Clauss Dietel (2011)
Leben
Karl Clauss Dietel absolvierte von 1949 bis 1952 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in Glauchau. Er studierte 1953 bis 1956 an der Ingenieurschule für Kraftfahrzeugbau Zwickau und 1956 bis 1961 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Anschließend arbeitete er als Formgestalter zunächst bis 1963 im VEB Zentrale Entwicklung und Konstruktion für den Fahrzeugbau (ZEK) Karl-Marx-Stadt. In seiner Diplomarbeit stellte er den Fahrzeugen der DDR aus gestalterischer Sicht ein negatives Urteil aus. Sie hätten meist das Prädikat „gestaltet“ nicht verdient bzw. seien als „nicht gestaltet“ zu bewerten.[2] Ausgehend von seiner Diplomarbeit für einen Pkw mit erstmals rundem Fahrzeugbug und aerodynamisch optimalem Vollheck gestaltete er 1962 für das Automobilwerk Eisenach (AWE) den Grundentwurf zum Wartburg 353. Die Innengestaltung dazu entwarf er zusammen mit Lutz Rudolph.
Ab 1963 wirkte er als freischaffender Formgestalter. In der Zeit bis 1984 arbeitete Dietel an der Gestaltung von insgesamt sieben Nachfolgemodellen zum Pkw Trabant, ab etwa 1965 gemeinsam mit Lutz Rudolph. Vier dieser Fahrzeuge wurden komplett entwickelt (1:1-Modelle, Windkanal, Testfahrten mit Musterfahrzeugen etc.) und standen praktisch vor der Serienfertigung, wurden jedoch nicht realisiert.[3]
VIII. Kongress des Verbandes Bildender Künstler der DDR (Berlin, 1978) V. l. n. r.: Herbert Sandberg (Grafiker), Konrad Naumann (Mitglied des Politbüros des ZK der SED und 1.Sekretär der Bezirksleitung Berlin), Walter Womacka (Maler), Jo Jastram (Bildhauer), Kurt Hager (Mgl. des Politbüros und Sekretär des ZK der SED), Willi Sitte (Maler), Bernhard Heisig (Maler), Paul Verner (Mgl. des Politbüros und Sekretär des ZK der SED), Clauss Dietel, Klaus Wittkugel (Grafiker)
Von 1967 bis 1975 unterrichtete er im Honorarauftrag an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein, danach an der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg. Dort wurde er 1984 zum Professor berufen, von 1986 bis 1990 fungierte er als Direktor der Fachschule. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde er 1992 als Professor bestätigt.
1962 wurde er Kandidat, ab 1965 war er Mitglied des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands (VBKD), später VBK/DDR. Von 1970 bis 1974 war er Vorsitzender der Sektion Formgestaltung/Kunsthandwerk des Verbandes.[4] Von der Funktion eines der Vizepräsidenten des VBK, die er seit 1974 innehatte, trat er am 25. Juni 1981 aus Protest gegen die vom Amt für Industrielle Formgestaltung (AIF) der DDR ausgeübte „Auftragslenkung“ zurück.[5] Nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Willi Sitte wurde Dietel 1988 zum Präsidenten des VBK gewählt, den er während der Wendezeit bis zu seiner Auflösung im Zuge der Wiedervereinigung 1990 leitete.
Clauss Dietel war Mitglied der SED und Mitglied der Bezirksleitung der SED in Karl-Marx-Stadt.[6]
Seit 1959 wurde er durch das MfS observiert, unter anderem im Zusammenhang mit der Künstlergruppe Clara Mosch in Karl-Marx-Stadt. Nach Rücktritt 1981 als VBK-Vizepräsident wurde daraus ein „Operativer Vorgang“ des MfS/DDR.
Besondere Beachtung fanden Dietels definierte Gestaltungsprinzipien. Unter anderem ist hier das Offene Prinzip zu benennen, das Entwürfe ermöglicht, die Zugang für Austausch, Pflege und Reparatur bieten. So können letztlich nicht nur technische Neuerungen an das Objekt angepasst werden, sondern ebenso die sich ändernden Ansprüche und Vorlieben der Nutzer. Eine anschauliche Umsetzung fand dieses Prinzip an den Kleinkrafträdern Simson S 50 und S 51.[7]
Nach dem Ende der DDR arbeitete Dietel weiterhin als freischaffender Gestalter, u. a. für die Diamant Fahrradwerke in Chemnitz sowie für spezialisierte Klein- und Mittelunternehmen in Sachsen. Zudem schuf er architekturbezogene Kunst, z. B. am Mercure-Hotel Chemnitz. Zusammen mit Lutz Rudolph gewann er 1996 den ersten Preis im Architekturwettbewerb Stadtpavillon Chemnitz. Außerdem entwarf er Bauten für Volkswagen in Bratislava und Sachsen.
Als erster ostdeutscher Gestalter erhielt Clauss Dietel am 25.September 2014 den vom Bundeswirtschaftsministerium als höchste offizielle deutsche Auszeichnung im Bereich Design verliehenen Bundesdesignpreis für sein Lebenswerk.[8] Dietel habe, so die Jury, die ostdeutsche Designentwicklung bis zur Jahrtausendwende maßgeblich mitgeprägt.[9]
Der Großteil der Gestaltungsentwürfe von Karl Clauss Dietel sowie von Dietel/Rudolph wurde von dem Berliner Sachfotografen Georg Eckelt fotografiert.[10]
Zitate, Konzepte, Begriffe
Offenes Prinzip, 1967
Gebrauchspatina, 1971/72, Erstveröffentlichung in form+zweck
„Die großen 5 L“ (Langlebig, Leicht, Lütt, Lebensfreundlich, Leise)[11], 1981
Hand und Serielles – Unikat und Serie, 1983
Poesie des Funktionalen, 2000
Werke
Schreibmaschine Robotron Cella 1987
Gestaltung
Sportwagenstudie / Modell 1:5, Ing.-Schule Kfz.-Bau Zwickau, 1955
Pkw-Modelle, Diplomarbeit, Hochschule für bildende und angewandte Kunst, Berlin, 1960/61
Rundfunkgeräte „Heliradio“, K. C. Dietel und L. Rudolph, 1960–1991
Frontgestaltung LKW W50 auf Basis Grundentwurf W 50 von Peter Thieme
Mokicks der Reihe Simson SR 4-2 K. C. Dietel, 1962–1967; Mokicks/Roller S 50 bis SR50C,
Realisierung Offenes Prinzip, K. C. Dietel, L. Rudolph, 1967–1990
Grundentwurf Pkw AWE Wartburg 353, 1962, Innengestaltung K. C. Dietel und L. Rudolph 1963–1965
Kleinrechner D4a, 1963–64; Technische Universität Dresden / Nikolaus Joachim Lehmann
Aufschnittmaschine MS 1; 1964; FEUMA Gastromaschinen Gössnitz/Thür.
Jens Kassner (Hrsg.): Ostform – Der Gestalter Karl Clauss Dietel. Ed. Vollbart, Chemnitz 2010, ISBN 978-3-935534-19-2.
K. C. Dietel: Gebrauchspatina. In: Klaus Thomas Edelmann (Hrsg.): Gestaltung denken. Grundlagentexte zu Design und Architektur. Birkhäuser, Basel 2010, ISBN 978-3-0346-0515-1.
Uwe Kreißig: Die Moderne in Limbach. Stereoanlagen von HELIRADIO im Esche-Museum. In: Klinoskop. 21. Jg. (2014), Nr. 2, Personen & Fakten, S. 35, urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-169566 (mit Link zum PDF; 14,5MB; Jg. auf dem Cover falsch mit 22. angegeben).
(kr [Uwe Kreißig]): Honneurs an die ostdeutsche Moderne. Karl Clauss Dietel erhält Designpreis für Lebenswerk. In: Klinoskop. 21. Jg. (2014), Nr. 3, Kaleidoskop, S. 51, urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-169597 (mit Link zum PDF; 29,9MB).
Marlen Hobrack: Meine Jahre mit Erika. In: Mensch & Maschine. Sonderheft von Cicero und Monopol. 2020 (monopol-magazin.de 9. Juli 2020).
Walter Scheiffele, Steffen Schuhmann: karl clauss dietel. die offene form. spector books, Leipzig 2021, ISBN 978-3-95905366-2.
2.7.2 Karl Clauss Dietel (Memento vom 30. April 2017 im Internet Archive). In: ddr-design.info (kompakte Zusammenfassung über Clauss Dietels Leben und Gestaltungsprinzipien)
Zur Automobilentwicklung im Sozialismus. In: Kraftfahrzeugtechnik. 6/1962, S. 225–229.
Stop Styling.Dokumentarfilm über den Gestalter Karl Clauss Dietel und seine Prinzipien für nachhaltige und gute Produktform.In:stop-styling.de.Abgerufen am 31.Dezember 2017(Teaser 2014).
Günther Höhne: Besuch bei Clauss Dietel. Die ostdeutsche Designlegende im Gespräch. In: design report. 11/2004, ISSN0932-3724, S. 42–47 (design-report.de (Memento vom 8. Januar 2005 im Internet Archive) [Artikelanfang]).
Bernd Havenstein:»Gestaltung ist Kultur«. Erika, Simson, Wartburg: Karl Clauss Dietel prägte das Design der DDR. Anfang des Jahres ist er gestorben. In: nd. nd.Genossenschaft eG, 19.Januar 2022, ISSN0323-3375, S.13 (nd-aktuell.de).
Günther Höhne: Was macht eigentlich Clauss Dietel? In: Monika Zimmermann (Hrsg.): Was macht eigentlich…? 100 DDR-Prominente heute. Ch. Links, Berlin 1994, ISBN 3-86153-064-3, S. 44–45 (Scanin der Google-Buchsuche).
2.7.2 Karl Clauss Dietel (Memento vom 30. April 2017 im Internet Archive). In: ddr-design.info, abgerufen am 21. Oktober 2014.
Walter Scheiffele, Steffen Schuhmann:karl clauss dietel. die offene form. Hrsg.: Walter Scheiffele, Steffen Schuhmann. spector books, Leipzig 2021, ISBN 978-3-95905-366-2, S.75,96,103,120,130,161,218,330,332.
Die großen 5 L. In: form-gestaltung-ddr.de, abgerufen am 30. März 2017.
Blaue Stele. In: Skulpturen und Plastiken in der Chemnitzer Innenstadt. Stadtbibliothek Chemnitz. 25. Januar 2010, abgerufen am 16. Oktober 2022.
Die 33 Fragen an Karl Clauss Dietel. „Alles Künstlerische ist Künftiges“. Über den revolutionären Entwurf für den Wartburg 353, Chemnitz, Colani, DDR-Design, Bauhaus und über das Leben. Interview Uwe Kreißig. In: Klinoskop. Firmenzeitschrift der Klinikum Chemnitz gGmbH. 19. Jg. (2012), Nr. 3, Personen & Fakten, S. 36–39, hier S. 38 (yumpu.com [für den Artikel]; urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-102718 mit Link zum PDF; 26,0MB; für das Gesamtheft).
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