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Unter dem Namen RGW-Auto wird ein Gemeinschaftsprojekt zum Bau von Pkw der DDR und der Tschechoslowakei bezeichnet. Beide Staaten waren Mitglied im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe). Die Fahrzeuge Trabant 601, Wartburg 353 und Škoda 100 sollten von modern konzipierten Fahrzeugen ersetzt werden. Beteiligt waren hierbei die Unternehmen Automobilwerk Eisenach (Wartburg), Sachsenring Automobilwerke Zwickau (Trabant) und AZNP Mladá Boleslav (Škoda). Die Serienfertigung des ambitionierten Projekts sollte 1978 starten.

Škoda
Wartburg
Trabant

Prototyp Škoda 760 aus der Tschechoslowakei mit Design von Giorgio Giugiaro

P760
Präsentationsjahr: keines
Fahrzeugmesse: keine
Klasse: Untere Mittelklasse, Kompaktklasse und Kleinwagen
Karosseriebauform: Limousine, Coupé und Kombi
Motor: Ottomotor:
1,1-1,8 Liter
Serienmodell: keines

Hintergrund


In beiden Ländern wurde Ende der 1960er festgestellt, dass sich der lokale Automobilbau zunehmend von den westlichen Herstellern in seinen Technologien entfernte. Weiter war beiden Ländern der Export in Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiete (NSW) wie Großbritannien wichtig, da sich hierdurch Devisen beschaffen ließen. Mit diesen konnten sozialistische Länder vereinfacht Güter wie Spezialmaschinen im NSW beschaffen, die im sozialistischen Raum nicht verfügbar waren.

In der DDR wurden Pkw seinerzeit mit Zweitaktmotor gebaut. Es war absehbar, dass diese Fahrzeuge zunehmend weniger Abnehmer im NSW fanden. Bereits in den 1970ern wurde das Modell Wartburg 353 in Großbritannien wegen neuer Emissionsbestimmungen nicht zugelassen. 1979 folgte ein Zulassungsverbot im gesamten NSW wegen Nichteinhaltung der notwendigen ECE-Regelungen. Die DDR wollte die notwendigen Investitionen für den Serienbau mit Viertaktmotor nicht aufbringen.

Bei Škoda in der Tschechoslowakei entschied man sich Ende der 1950er wiederum für den Bau von Fahrzeugen mit Heckmotor. Hierfür wurde 1964 der Škoda 1000 MB eingeführt. Zu dieser Zeit wendeten sich westliche Hersteller, abgesehen von Volkswagen, vom Heckmotor ab. Für Škoda war der Heckmotor im Nachhinein eine Sackgasse: Durch die für den 1000 MB neu errichtete Produktionslinie konnten nicht die notwendigen Mittel für die erneute Neuausrichtung aufgebracht werden.


Entwicklung


Ziel war eine technische Basis für die Nachfolger von Trabant 601, Wartburg 353 und Škoda 100:

Die drei Marken sollten auf die vereinheitlichte technische Basis ihre eigenen Karosserievarianten nutzen. Langfristig war eine Produktion von 600.000 Fahrzeugen angepeilt, die Hälfte hiervon sollte Škoda produzieren.[1] Durch die arbeitsteilige Fertigung von Pkw erhoffte man sich eine effizientere Produktionsweise als bei den gegeneinander arbeitenden Unternehmen in der Marktwirtschaft.

Konzeptionell bevorzugten die Entwickler der DDR den Frontmotor und Frontantrieb. Bei Škoda präferierte man den Heckantrieb mit Frontmotor. Entgegen DDR-Mythen hing die Tschechoslowakei nicht „aus Traditionsgründen“ am Heckmotor. Škoda-Fahrzeuge mit Heckmotor wurden erst seit 1964 gebaut. In der Tschechoslowakei entwickelten Ingenieure bereits in Eigenregie den Mittelklassewagen Škoda 720 (Škoda 1200/1500) mit Frontmotor und Heckantrieb. Am Ende wurde dieser Mittelklasse-Pkw nicht produziert, da zunächst das neue Škoda-Werk in Bratislava erst in einigen Jahren fertig errichtet wäre und dann eine Produktion dort wiederum mit einem veralteten Škoda 720 gestartet wäre. Weiter wurde das Projekt Škoda 720 beendet, nachdem sich das Projekt RGW-Auto ermöglichte. Die tschechoslowakische Seite hoffte hierbei auf Synergien für den Fahrzeugbau.

Die im Januar 1970 begonnenen Planungen für das RGW-Auto waren in der DDR wiederum Anlass für den Abbruch der Arbeiten am Trabant P603, der als Nachfolger für den P601 geplant war. In Eisenach wurde seit den 1960er Jahren ein Viertaktmotor mit vier Zylindern und einem Hubraum von 1600 cm³ entwickelt. Der Motor war 1972 fertig, wurde aber nie in Serie produziert.

Damit das Projekt nicht gefährdet wurde, entschied sich die Tschechoslowakei zu Beginn des Gemeinschaftsprojekts den Hinterradantrieb mit Frontmotor fallen zu lassen und schloss sich der DDR mit ihrem bevorzugten Frontmotor an. Dennoch begann das Projekt zum Stocken. Da es zu keinen nennenswerten Resultaten kam, stoppte die Führung der Einheitspartei der DDR die weitere Entwicklung im Jahr 1973. Die Tschechoslowakei erfuhr von dem Stopp erst spät im Jahr 1974.

Daraufhin begann ein weiterer Versuch mit vereinfachten Bedingungen. Die Tschechoslowakei kehrte zum Konzept Frontmotor mit Heckantrieb zurück und baute so diverse Fahrzeuge, woran auch dem Škoda-Stammwerk in Mladá Boleslav die Werke in Kvasiny und Vrchlabí beteiligt waren. In der DDR wurden bis 1979 nur noch Fahrzeuge mit Frontmotor und Frontantrieb gebaut.


Entwicklung und Prototypen in den einzelnen Ländern



DDR


Prototyp 610M1 von 1978 aus der DDR
Prototyp 610M1 von 1978 aus der DDR
Prototyp Trabant P1100 (P610) aus der DDR
Prototyp Trabant P1100 (P610) aus der DDR

Mit Beginn der 1970er Jahre drang die SED-Führung bezüglich der Automobilfertigung verstärkt auf eine Zusammenarbeit zwischen den RGW-Partnerländern. Politische Vorstöße in diese Richtung hatte es bereits Anfang der 1960er Jahre gegeben.[2] In der DDR existierten 1966 Funktionsmuster des Trabant 603, dessen Entwicklung auf Weisung des Politbüros eingestellt wurde, um die verfügbaren Kapazitäten dem P760-Projekt zur Verfügung zu stellen.

Für den geplanten neuen Trabant sollte Škoda einen Motor mit 1,1 Liter Hubraum zur Verfügung stellen. Beim Wartburg sollte ein Motor mit 1,3 Liter Hubraum verbaut werden.

Seit Januar 1970 wurden Pläne für dieses Fahrzeug ausgearbeitet. Schließlich wurden vom Trabant P760 ab 1970 vier Funktionsmuster gebaut, die ab 1972 erprobt wurden. 1973 wurde Wartburg aus dem Projekt von der DDR-Regierung ausgeschlossen, da dort Prototypen erst verspätet (1974) fertiggestellt wurden. Nunmehr arbeiteten die Entwickler vom Trabant nur noch mit Škoda zusammen.

Der Wartburg-Prototyp 360 von 1974 besaß eine selbsttragende Karosserie und einen Motor, beides von Škoda. Die weitere Entwicklung musste beendet und der einzige Prototyp zerstört werden. 1978 wurde die Entwicklung wiederum mit dem Typ 610M aufgenommen. In dem Fall wurde erneut eine selbsttragende Karosserie, bekannt vom Škoda 105/120, benutzt. Der Motor vom rumänischen Dacia 1300 (Lizenzbau des Renault 12) war längs eingebaut.[3][4]


Tschechoslowakei


Auch in der Tschechoslowakei begannen die Planungen 1970, erste Prototypen wurden 1972 fertiggestellt. Die Karosserien und deren Gestaltung stammen von Giorgio Giugiaro. Hierfür wurden 10 Millionen Tschechoslowakische Kronen bezahlt. Bei Škoda entstanden folgende Prototypen:

Typ Baujahr Karosserie Motorisierung Antrieb Verbleib
Škoda 760 1972/73[5] viertürige Limousine 1091 cm³ Frontantrieb Škoda Muzeum
Škoda 761 1976[6] zweitürige Schräckhecklimousine unbekannt
1978[7] 1276 cm³ Automuseum in Čerčany
Škoda 762 1975[8] viertürige Limousine Heckantrieb unbekannt
1977[9] 1478 cm³ Škoda Muzeum
Škoda 762 P1 1979[10]
Škoda 762 P2 1980[11] viertürige Kombilimousine 1276 cm³ Heckantrieb/Frontmotor unbekannt
Škoda 762 B 1979[12] viertürige Limousine 1478 cm³ Frontantrieb
Škoda 763 1977[13] dreitüriges Coupé aus Kvasiny Heckantrieb Škoda Muzeum
Škoda 764 1977[14][15] fünftüriger Kombi
1771 cm³ unbekannt
Škoda 765 1977[16][17] fünftüriger Kombi,
einer aus Vrchlabí
mit verlängertem Radstand
für Krankenwagenaufbauten
als Nachfolger des Škoda 1203
1478 cm³
1498 cm³ Technisches Museum in Brünn

Da sich das Gemeinschaftsprojekt als nicht zielführend zeigte, entwickelte Škoda auf Basis des 100/110 von 1969 ab 1972 parallel den Škoda 105/120. Dieser wurde 1976 vorgestellt und sicherte durch Einhaltung der ECE-Regelungen den Export in nichtsozialistische Staaten sowie die Devisenbeschaffung. Das Fahrzeug übernahm viele Elemente der Prototypen 720 und 760.


Technik


Das Unternehmen Česká zbrojovka Strakonice hat die Vier-Gang-Getriebe zur Verfügung gestellt. Praga baute wiederum ein Automatikgetriebe, welches im Škoda 762 verbaut worden ist. Entwickler war Ústav pro výzkum motorových vozidel (ÚVMV, deutsch Institut für Kraftfahrzeugforschung) in Prag.

Die Motoren waren wassergekühlte Viertakt-Vierzylinder, diese baute Škoda seit 1964 im Aluminiumdruckgussverfahren. Entgegen der ansonsten typischen Graugussmotorblöcke waren diese Škoda-Motoren eine gewichtssparende Konstruktion.


Ende des Gemeinschaftsprojekts


Mit der Entwicklung der zahlreichen Prototypen zeigten sich zwei Probleme:

Im September 1979 beschlossen beide Staaten das Projekt zu beenden. Škoda arbeitete nun unabhängig. Bereits 1980 entwickelten die Tschechoslowaken mit 762P eine Kombilimousine mit Frontantrieb. 1981 folgte der Prototyp 781, welcher ab 1983 zum 1987 vorgestellten Škoda Favorit entwickelt wurde. Dessen konstruktive Qualität war letztendlich der Wegbereiter zur Übernahme Škodas durch den Konzern Volkswagen nach der Samtenen Revolution und Abkehr von der Planwirtschaft.[19][20]

Nach dem Scheitern des RGW-Autos Trabant P760 im April 1973 und dem ebenfalls abgebrochenen Nachfolgeprojekt P1100/1300 1979 kam in der DDR die Entwicklung neuer Personenwagen zum Erliegen. Erst kurz vor der Wende wurde mit dem Trabant 1.1 und Wartburg 1.3 eine gewisse Weiterentwicklung mit dem Einbau von Viertakt-Vierzylinder-Motoren VW EA111 erreicht, auch wenn sie nur in die bestehenden Karosserien aus den 1960ern verbaut worden sind. Ursprünglich wollte die DDR-Führung vor dem Projekt RGW-Auto auf den Einkauf von Baulizenzen von Westmotoren aus Kostengründen verzichten.


Literatur



Einzelnachweise


  1. Škodovky, kterými jsme mohli jezdit: locusta a třídveřový favorit. 16. Oktober 2007, abgerufen am 4. April 2022 (tschechisch).
  2. Zur Automobilentwicklung im Sozialismus. In: Kraftfahrzeugtechnik 12/1962, S. 490–495.
  3. Eberhard Kittler: Typenkompass DDR Personenwagen 1945-1990. Motorbuch Verlag, Stuttgart 200, S. 128
  4. Škoda–Wartburg-Trabant: svatba se nekonala. 24. Mai 2004, abgerufen am 4. April 2022 (tschechisch).
  5. Škoda 760 ID, 1973. Auta5P ID:14470 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  6. Škoda 761, 1976. Auta5P ID:14473 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  7. Škoda 761, 1978. Auta5P ID:26563 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  8. Škoda 762, 1975. Auta5P ID:14474 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  9. Škoda 762, 1977. Auta5P ID:14475 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  10. Škoda 762 P1, 1979. Auta5P ID:14472 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  11. Škoda 762 P2, 1980. Auta5P ID:14480 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  12. Škoda 762 B, 1979. Auta5P ID:19882 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  13. Škoda 763, 1977. Auta5P ID:14477 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  14. Škoda 764 Combi, 1977. Auta5P ID:14478 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  15. Škoda 764 Combi 1.8, 1977. Auta5P ID:26570 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  16. Škoda 765 Combi 1.5 TL, 1977. Auta5P ID:14479 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  17. Škoda 765 Combi Special, 1977. Auta5P ID:21411 CZ. Abgerufen am 4. April 2022.
  18. Jan Králik, Jiří Dufek: Historie automobilů Škoda od roku 1905 do současnosti Grada Publishing, 2015, S. 120 ff.
  19. Lukáš Nachtmann, Cedrych, Mario René: Škoda – auta známá i neznámá. Grada Publishing, 2003.
  20. Jan Králik: V soukolí okřídleného šípu. Grada Publishing, 2008.



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