Die Express Werke AG in Neumarkt in der Oberpfalz bauten von 1884 bis 1959 Fahrräder und Motorräder mit Einbaumotoren verschiedener Hersteller sowie Automobile.
Express-Werke AG Express-Fahrradwerke AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 12. Januar 1884 (als Velocipedfabrik „Goldschmidt & Pirzer“) |
Auflösung | 1959 |
Sitz | Neumarkt in der Oberpfalz, Deutschland |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl |
|
Branche | Fahrradhersteller, Kraftfahrzeughersteller |
Das im Jahr 1813 erlassene Bayerische Judenedikt und der 1861 folgende Landtagsabschied erlaubte es den bayerischen Juden, Grundbesitz zu erwerben und Gewerbe zu betreiben. Dies ermöglichte es der in Sulzbürg im Judenschutz lebenden Familie Goldschmidt, ein Anwesen in der nahe gelegenen Stadt Neumarkt in der Oberpfalz am Oberen Markt 11 zu kaufen. Dort eröffnete Simon Goldschmidt 1864 mit seinem Sohn Joseph ein Eisenwaren-Geschäft mit dem Namen „S. Goldschmidt & Sohn“, das später um eine "Herd- und Ofenfabrik" erweitert wurde.[1]
Nach dem Tod von Simon Goldschmidt im Jahr 1872 übernahmen die Brüder Joseph und Adolf die Leitung des Geschäfts. In diesem Betrieb begann 1877 Carl Marschütz, ein Sohn eines jüdischen Lehrers aus Burghaslach, eine kaufmännische Lehre. Marschütz begeisterte sich für Entwicklung und Bau eines Velozipeds (Fahrrad) und ließ sich von drei Neumarkter Handwerkern ein Veloziped nach seinen Vorstellungen anfertigen. Im Jahr 1881 begegnete er einem englischen Radfahrer, der mit seinem Hochrad auf einer Reise von London nach Wien Rast in Neumarkt machte. Dabei gelang es Marschütz, eine Probefahrt zu machen, was ihm zwar wegen seiner für das Hochrad zu kurzen Beinen Probleme bereitete, seine Begeisterung für das neue Fortbewegungsmittel aber weiter steigerte. Ein Jahr später lernte er auf einer Bayerischen Landesausstellung den Mechaniker Eduard Pirzer kennen, der bereits Erfahrungen in der Montage von Hochrädern hatte, und brachte ihn mit Joseph Goldschmidt zusammen, um ihn als Geldgeber für eine eigene Fahrradproduktion zu gewinnen. Durch die Zustimmung von Goldschmidt konnte 1883 die Entwicklung der Neumarkter Fahrradproduktion in der Kochherd-Fabrik beginnen.
In Folge wurde am 12. Januar 1884 unter dem Namen „Velocipedfabrik Goldschmidt & Pirzer“ eine der ersten Fahrradfabriken Deutschlands gegründet. Die vom Unternehmen zu Werbezwecken häufig verwendete Formulierung „Älteste Fahrradfabrik des Kontinents“ ist dagegen kaum haltbar, da bereits ab ca. 1870 einige kleinere Fahrradfabriken in größeren deutschen Städten entstanden sind.[2]
Zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung war die Fahrradindustrie in England, verglichen mit den Entwicklungen in Deutschland, bereits weit fortgeschritten. Daher beschäftigte die Firma zur Herstellung der Räder Arbeiter aus England, die das notwendige Wissen mitbrachten, und bezog zum Bau „echt englisches Material in Prima Qualität“, wie es in einer Anzeige aus dem Jahr 1884 steht. Aufgrund des sich gut entwickelnden Umsatzes erwarben die Brüder Joseph und Adolf Goldschmidt im Juli 1884 ein Grundstück zwischen Ingolstädter Straße und Bahnhofstraße, auf dem ein neues Fabrikgebäude errichtet wurde. In diesem Zuge entstand auch eine Verbindung zwischen den beiden Straßen, die heutige Holzgartenstraße, die als Firmenanschrift dienen sollte.
Wegen der stetig steigenden Produktion an Fahrrädern wurden die Produktionsstätten in den nächsten Jahren mehrfach erweitert.
Im Jahr 1886 wurde Carl Marschütz die Leitung der Nürnberger Filiale übertragen. Dieser Aufgabe ging er aber nicht lange nach. Er gründete im gleichen Jahr in Nürnberg die Firma „Carl Marschütz & Co“, aus der später die Hercules Werke hervorgingen.
Am 22. Dezember 1887 schied Eduard Pirzer als Gesellschafter der Firma aus, um mit seinem Bruder Franz-Xaver in München die „Monachiafahrradwerke Gebr. Pirzer“ zu gründen.[3] Dadurch änderte sich der Name des Betriebs in „Velociped-Fabrik Neumarkt Gebrüder Goldschmidt“.
Im Juli 1888 kam es zu einem großen Brand der Produktionshalle. Von der Fabrikhalle standen danach nur die Umfassungsmauern, die Einrichtung war weitgehend zerstört. Obwohl unmittelbar mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen wurde, dauerte es bis zum Frühjahr 1889, bis die Fertigung wieder im vollen Umfang lief.
1892 vereinbarten die Brüder Joseph und Adolf Goldschmidt, ihre Produktionszweige zu trennen. Das Anwesen am Oberen Markt 11 wurde auf Adolf Goldschmidt umgeschrieben, der dort die Kochherd-Fabrik und den Eisenwarenhandel unter dem Namen „S. Goldschmidt & Sohn“ weiterführte. Joseph Goldschmidt übernahm die Fahrradfabrik in der Holzgartenstraße und ließ den Firmennamen bestehen.
Als am 22. November 1896 Joseph Goldschmidt starb, übernahmen seine Witwe Bertha und sein Sohn Jacob die Firma und wandelten diese 1897 in eine Aktiengesellschaft um. Jakob Goldschmidt wurde zum Direktor der „Express Fahrradwerke, Aktiengesellschaft vorm. Velocipedfarbik Neumarkt“.
Zur gleichen Zeit wurde in Berlin eine Zweigniederlassung eröffnet, um dort die Geschäftskontakte zu erweitern.
Am Ende des 19. Jahrhunderts kam es zur ersten großen Krise im Fahrradmarkt. Verursacht war diese unter anderem durch ein zu schnelles Wachstum der Fahrradbranche, bei der in den Jahren zuvor immer mehr kleinere und mittlere Fahrradbetriebe entstanden, die am Fahrradboom teilhaben wollten. Dadurch entstand ein Überangebot am Markt mit einhergehendem Preisverfall. Die Anzahl der produzierten Fahrräder des Unternehmens sank von 4700 Stück im Jahr 1898 auf 600 Stück im Jahr 1901. Erschwerend kam für die Express-Werke hinzu, dass kurz vor dem Ausbruch der Krise der Mitarbeiterbestand noch ausgeweitet und eine hohe Investition in die Produktionsanlagen getätigt wurde. Die Folge war, dass über die Hälfte des Personals entlassen werden musste.[4]
Die Geschäftsleitung bemühte sich, den Umsatzrückgang durch die Einführung anderer Produkte zu kompensieren. Im Frühjahr 1899 wurde bekannt, dass die Firma mit der Entwicklung und dem Bau von motorisierten Fahrzeugen begonnen hatte. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich am Markt bereits eine entsprechende Entwicklung ab, die mit dem Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 schon Jahre zuvor begonnen hatte. Erste motorisierte Produkte der Express-Werke waren Dreiräder und kleine, vierräderige Motorwagen. Später kamen auch Motorfahrräder, Personen- und Lastkraftwagen dazu.
Um auch Kompetenzen im Fahrzeugbau mit Elektromotoren zu bekommen, erwarben die Express-Werke die Berliner Vulkan-Automobilgesellschaft einschließlich dem Recht, alle für Vulkan lizenzierten Patente zu nutzen. Dieser Vorgang steht in Zusammenhang mit der Gründung der Zweigniederlassung in Berlin, da dort gleichzeitig auch eine Werkstatt zur Reparatur der Automobile entstand. In Berlin stellte Express elektrisch betriebene Personen- und Lastautos bis 5 t Nutzlast her, die den benzingetriebenen Modellen aus Neumarkt sehr ähnelten.[2]
Die Fertigung von motorisierten Fahrzeugen nahm bis 1905 einen Großteil der Produktionskapazität ein[5], wurde aber bereits im Jahr 1907 wegen mangelnden wirtschaftlichen Erfolgs eingestellt. Dadurch konnte sich die Firma wieder stärker dem Fahrradmarkt widmen, der sich durch die Einführung der Sicherheitsniederräder mit Luftreifen sehr dynamisch entwickelte.
1909 wurde die Produktion von motorisierten Fahrzeugen vorübergehend wieder aufgenommen. Diesmal erhielten die Fahrzeuge wahlweise einen Vierzylinder- oder Sechszylindermotor der Firma Fafnir aus Aachen.[6] 1910 wurde die Herstellung von Automobilen endgültig eingestellt.
In den folgenden Jahren konnte die Produktion von Fahrrädern deutlich gesteigert werden und erreichte im Jahr 1908 den Wert von 16.800 Stück.
Ab ca. 1912 wurden Fahrräder für Militärzwecke gefertigt, darunter auch zusammenlegbare Armee-Klappräder, die in Tornistern transportiert werden konnten. Wie auch bei anderen Unternehmen der Zweiradindustrie üblich, waren die Express-Werke zu dieser Zeit auch als Rüstungsbetrieb tätig und machten während des Ersten Weltkriegs einen Großteil des Umsatzes mit dem deutschen Heer.[5]
Bereits ab dem ersten Kriegsjahr wird berichtet, dass im Betrieb auch Kriegsgefangene als Arbeiter tätig waren.
Nach dem Krieg fertigten die Express-Werke weiterhin Fahrräder, erkannten aber auch den Trend zu Kleinkrafträdern, der durch den Wegfall der Führerscheinpflicht entstanden war. Angeregt von dem Angebot an verschiedenen Einbaumotoren von Fichtel&Sachs entschied die Leitung den Wiedereinstieg in die Produktion von Motorfahrrädern. So begann im Jahr 1930 die Herstellung des Modells "Express S" mit 74 cm³ Sachs-Motor, der in einen angepassten und verstärkten Fahrradrahmen eingebaut wurde. Von diesem Modell wurden auch noch zwei weitere Ausführungen, als Variante für Damen mit der Bezeichnung "Express SD" und als Transportrad "Express ST", gefertigt. Mit dem Modell K100 kam im Jahr 1935 eines der ersten Kleinkrafträder mit Kickstarter auf den Markt.
Durch den Einstieg in die Fertigung von Kleinkrafträdern gelten die Express-Werke als Teil der Nürnberger Motorradindustrie.
Bis zur kriegsbedingten Produktionseinstellung im Jahr 1939 entstanden insgesamt 18 verschiedene Motorfahrräder und Leichtkrafträder, die von den Express-Werken entweder konfektioniert wurden oder, wie beim Modell Saxonette, in Lizenzfertigung hergestellt wurden.
Der Absatz entwickelte sich gut, denn es wird berichtet, dass bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs bereits etwa 150.000 Kleinkrafträder produziert wurden.[2]
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden die Express-Werke zum Rüstungsbetrieb umfunktioniert und die Partei mit der Firmenleitung eng verflochten. Im Jahr 1938 änderten sich durch die „Arisierung“ die geschäftlichen Grundlagen des Betriebs durch Änderung der Aktienmajorität: Der bisherige Aktionär, das Bankhaus Gebrüder Arnhold, wurde von der Dresdner Bank übernommen.
Bei einem Angriff der amerikanischen Luftwaffe auf den Neumarker Bahnhof am 23. Februar 1945 wurde auch das Firmengelände der Express-Werke stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei einem zweiten Luftangriff am 11. April 1945 fiel erneut eine Bombe auf die bereits zerstörten Express-Werke.[7]
Nach Kriegsende kehrten viele ehemalige Mitarbeiter an ihre Arbeitsstätte zurück um sich am Wiederaufbau des Betriebs und Instandsetzung der Produktionsanlagen zu beteiligen. Seit dem Frühjahr 1947 konnten wieder Fahrräder gebaut werden. Größtes Hindernis dabei war die mangelhafte Versorgung mit Rohmaterialien und Bauteilen für die Produktion. Ein Jahr später konnte mit der Produktion von Kleinkrafträdern begonnen werden und die Vorbereitung zur Motorradproduktion begann. 1950 konnte erstmals wieder das Produktsortiment auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt präsentiert werden. Neben den bereits vor dem Krieg produzierten Kleinkrafträdern SL und SDL wurde eine neue Motorrad-Modellreihe mit der Bezeichnung "Radex" eingeführt, die den steigenden Bedarf an stärkeren und schwereren Motorrädern abdecken sollte.
Aufgrund der hervorragenden Entwicklung bei den Verkaufszahlen der Motorräder entschied sich die Firma, eigene Mopedmotoren zu entwickeln, die in der neuen Produktlinie "Radexi" eingesetzt werden sollten. Der erste so entwickelte Motor trug die Bezeichnung M 52 und kam erstmals beim Modell "Radexi I" im Jahr 1953 zum Einsatz. Der ursprünglich mit einem 1-Gang Getriebe ausgestattete Motor wurde ein Jahr später gegen Aufpreis mit einem 2-Gang Getriebe angeboten. Das kurz danach erschienene Nachfolgemodell M53 war mit einem Pedalstarter ausgestattet, der das Starten des Mopeds im Stand ermöglichte. Außerdem wurde ein Umschalthebel für den Fahrradbetrieb integriert, der das Getriebe abschaltete und somit den ausschließlichen Antrieb des Zweirads per Pedal erlaubte. Im Jahr 1958 folgte schließlich der mit einem 3-Gang Getriebe versehene Motor M54.[8]
Die Express-Motoren M52 und M53 wurden auch in Lizenz in Dänemark von Estlander Motors hergestellt und zahlreiche Moped-Produzenten aus Schweden, Finnland, Italien und Niederlande nutzten die Motoren für eigene Modelle.[9]
Ab Mitte der 1950er Jahre gingen in der Bundesrepublik Deutschland die Absatzzahlen von Motorrädern deutlich zurück, da sich in Zeiten des Wirtschaftswunders immer mehr Familien einen Kleinwagen leisten konnten. Verstärkt wurde dieser Trend durch eine Änderung der Führerscheinregelung, die am 1. Dezember 1954 wirksam wurde. Damit musste man für Motorräder über 50 cm³ Hubraum einen Führerschein der Klasse 1 besitzen. Zuvor genügte die Führerscheinklasse 4 für Motorräder bis 250 cm³.
Diese Entwicklung lässt sich deutlich an der Anzahl der damals neu zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland erkennen. Während sich im Zeitraum 1952/53 bis 1956/57 die Anzahl der neu zugelassenen Personenkraftwagen um das siebenfache steigerte, reduzierte sich die Anzahl der Motorrad-Zulassungen auf weniger als ein Drittel.
Jahr | Personenkraftwagen | Motorräder |
---|---|---|
1952/53 | 25.016 | 363.769 |
1956/57 | 174.958 | 105.646 |
Auch die Produktion von Mopeds, die Anfang der 1950er Jahre rasant stieg, fiel ab dem Jahr 1956 deutlich ab und 1958 konnten nur noch gut die Hälfte der im Boomjahr 1955 hergestellten Fahrzeuge abgesetzt werden.
In Folge mussten zahlreiche Zweiradhersteller Konkurs anmelden, darunter die Bismarck-Werke oder Hecker. Andere Hersteller, wie z. B. Firma Tornax, stellten auf Automobilproduktion um. Von den 80 Firmen, die 1952/1953 Motorräder herstellten, waren 1958 nur noch 17 Firmen in dieser Branche tätig.
Die Leitung der Express-Werke ließ sich von dem starken Marktwachstum Anfang der 1950er Jahre verleiten, große Investitionen in die Produktion zu tätigen, und berücksichtigte den Markttrend zum Automobil nicht. Teil der Investitionsoffensive war die Entwicklung des eigenen M52 Motors, für dessen Fertigung weitere Produktionsmittel, eine Vergrößerung des Personalbestands und neue Gebäudeteile erforderlich waren.[2]
Anfangs ging die Strategie auf und die Nachfrage überstieg bei Weitem die Produktionskapazitäten. So erzielten die Express-Werke im Jahr 1955 den höchsten Umsatz der Unternehmensgeschichte. Aber bereits ein Jahr darauf bekam die Firma die Trendumkehr im Zweiradmarkt deutlich zu spüren und so mussten von den 680 Beschäftigten 112 Arbeiter entlassen werden. Zudem wurde Kurzarbeit angeordnet, um weitere Kündigungen zu vermeiden. Das Vertrauen in die Unternehmensleitung war bei den Beschäftigten angeschlagen und es wird berichtet, dass es zu Diebstahl im großen Stil kam, indem Arbeiter und Angestellte Zweiradteile aus dem Werk schmuggelten. Zuhause wurden die Teile dann zu Fahrzeugen zusammengebaut um sie deutlich unter Fabrikpreis zu verkaufen.[10]
Im gleichen Jahr gab der leitende Direktor Victor Lentz auf einer Betriebsversammlung bekannt, dass er aus gesundheitlichen Gründen die Leitung der Firma niedergelegt hat. Der Rücktritt war allerdings keine Entscheidung des Direktors selbst, sondern zuvor vom Aufsichtsrat beschlossen worden. Vorangegangen waren Konflikte mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Essele.
Als Nachfolger wurde der juristische Berater des Unternehmens, Georg Gutmann bestimmt. Trotz des sich abzeichnenden Abschwungs und entgegen dem Rat einer eingesetzten Beraterfirma leitete die Firmenleitung aber keinen Sparkurs ein, sondern orderte weit über den Bedarf Material für die Fertigung, was bei den Gläubiger-Banken dazu führte, dass keine neuen Kredite mehr bewilligt wurden. Der Versuch von Gutmann, die weitere Finanzierung über Wechsel durchzuführen, scheiterte, so dass die Firma zahlungsunfähig wurde. Da die Hausbank des Unternehmens den drohenden Konkurs verhindern wollte, ging sie auf die Suche nach einem Käufer. Das Angebot erreicht auch Odilo Burkart, der zuvor bereits die Victoria-Werke übernommen hatte. Da bei einer durch Burkart eingesetzten Untersuchung weitere grobe Unstimmigkeiten ans Tageslicht kamen, musste Gutmann seinen Posten räumen und wurde durch Wilhelm Köhler ersetzt. Dieser leitete unter Erfüllung einiger aufgestellter Bedingungen die Übernahme der Express-Aktien durch Burkart ein, die dieser für knapp eine Million Mark erwarb.
Etwas später übernahm Burkart dann noch von der Auto Union die DKW-Zweiradfertigung. Diese drei Firmen, Viktoria-Werke, Express-Werke und das Zweirad-Segment von DKW, wurden im November 1958 zur Zweirad-Union vereint und die Fertigung in Nürnberg zusammengelegt. Im Nachrichtenmagazin Der Spiegel wurde im Dezember 1958 ausführlich über die Geschehnisse in den Express-Werken und die Übernahme in die Zweirad-Union berichtet.[10]
Die Betriebsanlagen der Express-Werke an der Holzgartenstraße wurden anschließend an das Elektrounternehmen Metzenauer & Jung verkauft. Zwar wurden in Neumarkt dann noch auf Basis von Restbeständen Zweiräder gebaut, dies stellte sich aber nicht als wirtschaftlich heraus. Daher beschloss die Geschäftsleitung, die Fertigung des Zweiradprogramms gegen eine Lizenzgebühr auf die Zweirad-Union zu übertragen, die dann auch den Markennamen „Express“ verwenden durfte.
Am 30. September 1959 wurde die Herstellung von Zweirädern in Neumarkt dann endgültig beendet.
Zeitraum | Leitung | Firmenname |
---|---|---|
1884–1887 | Joseph und Adolf Goldschmidt, Eduard Pirzer | Velocipedfabrik Goldschmidt & Pirzer |
1888–1897 | Joseph und Adolf Goldschmidt | Velociped-Fabrik Neumarkt Gebrüder Goldschmidt |
1897–1899 | Jakob Goldschmidt | Express Fahrradwerke, Aktiengesellschaft vorm. Velocipedfarbik Neumarkt |
1899–1901 | Hans Schmidt[11] | |
1901–1918 | Express Fahrradwerke A.-G. | |
1918–1929 | Expresswerke A.G. in Neumarkt Opf. bei Nürnberg | |
1929–1956 | Victor Lentz | |
1956–1958 | Georg Gutmann | |
1958 | Wilhelm Köhler | |
1958–1959 | Odlio Burkart |
Die Express-Werke bauten eine Vielzahl unterschiedlicher Fahrradtypen. Bis ins Jahr 1904 waren noch Hochräder erhältlich, die dann aber sehr schnell von den Sicherheitsniederrädern abgelöst wurden. Teil der Produktstrategie war es von Beginn an, Räder in hoher Qualität zu liefern. Im Angebot der Firma waren Gebrauchs- und Tourenräder aber auch Sport- und Rennräder, die eine besondere Rolle in der Unternehmensstrategie spielten: Die Express-Werke traten bei zahlreichen Radsportveranstaltungen, beispielsweise der Deutschlandtour, als Sponsor auf und hatten dort eigene Mannschaften auf Express-Rädern ins Rennen geschickt.
Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs fertigen die Express-Werke auch spezielle Fahrräder für den Militäreinsatz.
Die Express-Werke bauten die meisten Motorräder als Konfektionär, d. h. sie bezogen die Motoren von anderen Herstellern, vor allem von Fichtel & Sachs und Ilo. Eine Ausnahme bildeten die Mopeds mit dem Namen Radexi, bei denen ein selbst entwickelter Zweitaktmotor mit dem Namen M52 (später auch M53 und M54) zum Einsatz kam.
Modell | Bauzeit | Motor | Hubraum [cm³] |
---|---|---|---|
Express S / SD / ST | 1930–1932 | Fichtel & Sachs | 74 |
Express S74 / SD 74 / SL 74 / SDL 74 | 1931–1934 | Fichtel & Sachs | 74 |
Express SL98 / SDL 98 | 1934–1936 | Fichtel & Sachs | 98 |
Express K100 | 1935–1939 | Fichtel & Sachs / Ilo | 98 |
Express SL99 / SDL 99 | 1936 | Fichtel & Sachs | 98 |
Express K120 | 1937 | Ilo | 118 |
Express SL 102 | 1937–1940 | Fichtel & Sachs | 98 |
Express SDL 103 | 1937–1940 | Fichtel & Sachs | 98 |
Express Saxonette | 1938–1940 | Fichtel & Sachs Saxonette | 60 |
Modell | Bauzeit | Motor | Hubraum [cm³] | Varianten |
---|---|---|---|---|
Radexi I | 1953–1954 | Express M52 | 49 | |
Radexi II | 1954–1957 | Express M52 / M53 | 49 | Standard, Luxus |
Radexi III | 1957–1958 | Express M53 / M54 | 49 | Standard, Luxus, Sport |
Radexi Super (Roller-Moped) | 1957–1958 | Express M53 / M54 | 49 |
Modell | Bauzeit | Motor | Hubraum [cm³] |
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Radex 100 / 100B / 100N | Fichtel&Sachs | 98 | |
Radex 101 / 102 | Fichtel&Sachs | 97 | |
Radex 125 | 1948–? | Jlo MG 125 E | 123 |
Radex 149 / 150 / 151 / 152 / 153 / 154 | Fichtel&Sachs | 147 | |
Radex 174S / 175S / 176S | Fichtel&Sachs | 173 | |
Radex 175 / 176 | Ilo MG 175 F | 173 | |
Radex 200 / 201 / 202 | 1952–? | Ilo M200 | 197 |
Radex 250 / 251 | 1952–? | Ilo M250 | 247,5 |
Radex 252 / 253 / 255 | Ilo M 2*125 (Twin Motor) | 244 |
Nach der Übernahme durch die Zweirad-Union wurde die Marke Express für einige weitere Modelle verwendet, bei der hauseigene Motoren zum Einsatz kamen. Es entwickelte sich bald eine große Typenvielfalt und Modellbezeichnungen. Neben dem vorher schon verwendeten Modellnamen "Radexi" gab es unter anderem die Modelle Kavalier, Carino oder Aero. Dabei wurde teilweise das gleiche Modell unter verschiedenen Markennamen angeboten. Das Modell "Express Carino" wurde z. B. auch als "Victoria Avanti" oder "DKW Sport Violetta" vertrieben.[12]
Mit dem Ziel, eine Plattform für die Besitzer von Fahrzeugen der Express-Werke zu bieten, wurden im Jahr 1994 die Express-Interessengemeinschaft (kurz „Express-IG“) ins Leben gerufen.[13] Sie bietet Hilfestellung zur Erhaltung der Express-Fahrzeuge und informiert die Mitglieder zwei bis dreimal im Jahr durch die IG-Zeitung E-Post.
Seit dem Jahr 1995 veranstaltet die Express-IG jährlich ein Mitgliedertreffen in Neumarkt, bei dem auch eine Teilnahme am Neumarkter Oldtimertreffen ein fester Bestandteil ist.[14]
Exponate der Firma Express sind unter anderem in folgenden Museen zu finden:
Stadtmuseum Neumarkt
Das Stadtmuseum Neumarkt in der Adolf-Kolping-Straße dokumentiert in einer eigenen Abteilung die Entwicklung der Express-Werke.[15] Zu sehen sind neben zahlreichen Fahrrad- und Motorradexponaten auch Dokumente aus der Gründerzeit. Im Jahr 1998 fand zum Thema Express-Werke eine Sonderausstellung statt, zu der das Buch … auf den Hund gekommen … Express-Werke Neumarkt Pioniere der Zweiradindustrie entstand, in dem die Geschichte der Werke sehr detailliert beschrieben ist.
Museum für historische Maybach Fahrzeuge
Die Werksgebäude in Neumarkt sind in Teilen bis heute erhalten; hier befindet sich das 2009 eröffnete Museum für historische Maybach-Fahrzeuge, das neben Oldtimern der Marke Maybach auch Express-Fahrräder und Motorräder ausstellt. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den Produkten der 1950er Jahre.[16]
Museum Industriekultur
Das Museum Industriekultur in Nürnberg zeigt in Dauerausstellungen sowohl die geschichtliche Entwicklung des Fahrrads als auch die Entstehung der Nürnberger Motorradindustrie auf.
Aktuelle Fahrradhersteller:
Accell Group |
8bar |
Additive |
Agresti |
Akkurad |
Alutech Cycles |
AnthroTech |
Atlanta |
Ave Hybrid Bikes |
At Zweirad |
Bavaria |
Bergamont |
Bernds |
Bellini |
Bikespace |
Bionicon |
Boomer |
Böttcher |
Brothers Bikes |
Bulls |
Campus |
Canyon |
Checker Pig |
Cube |
Corratec |
Cycle Union |
Dancelli |
Diamant |
Falkenjagd |
Focus |
Gudereit |
Haibike |
Hase Bikes |
Hercules |
HP Velotechnik |
Kalkhoff |
Kettler |
kieler manufaktur |
Krabo |
MIFA |
Müsing |
Pegasus |
Prophete |
PUKY |
Radon Bikes |
Riese und Müller |
Rose |
Rotwild |
Schauff |
Stevens Bikes |
Storck |
Univega |
Utopia |
Winora
Ehemalige Fahrradhersteller ab 1945:
Act-Bikes |
Adler |
Agent Bikes |
Allright |
Anker |
Attila |
Badenia |
Bauer |
Biria |
Bismarck |
Brennabor |
Cito |
Corona |
Dürkopp |
Elfa |
Enik |
Express |
Falke |
Frischauf |
Geier |
Gold-Rad |
Göricke |
Hammonia |
Kondor |
Kreidler |
Mars |
Miele |
Möve |
NSU |
Opel |
Panther |
Patria WKC |
Phänomen |
Presto |
Rabeneick |
Rixe |
Seidel & Naumann |
Staiger |
Stoewer |
Superior |
Torpedo |
Vaterland |
Victoria |
vsf fahrradmanufaktur |
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